„Mobile Cinema“ ist ein Gesamtkunstwerk aus aktionistischen
Videoinstallationen im öffentlichen Raum in verschiedenen
Großstädten (Berlin, Istanbul, Hamburg, München, etc.) und
Installationen in Kunsträumen.
Das mobile Kino wird, in den Umschlag der „Heimwehtasche“
montiert, von der Künstlerin durch die Stadt getragen. Sie zeigt
das Video der einen Stadt, z.B. München, der anderen Stadt,
z.B. Istanbul. Gleichzeitig wird die besuchte Stadt in ihrer
spezi fischen, urbanen Struktur gefilmt und die Reaktionen des
Publikums auf die mobile Installation dokumentiert. Aus diesem
Material werden neue Videos geschnitten, die dann in den folgenden
Städten zusammen mit den Filmen der schon besuchten Städte
gezeigt werden. So entsteht durch die aufeinanderfolgenden
Besuche nach und nach die „Stadtkörperserie“. Die Großstädte
Europas werden über dieses System von Aktion und Reaktion
miteinander vernetzt und bilden ein einziges, riesiges, urbanes
„all-over“ aus, so dass unpersönliche, abstrakte Stadtstrukturen
und privates Erleben zu einer bildlichen Einheit verschmelzen.
Der Passant wird zum „Sekundenstar“ seiner eigenen Stadt, deren
Lokalkolorit direkt und ungefiltert auf den Passanten und Alltag
der anderen Stadt trifft. Der konservierte Zeitablauf der Videoaufnahme
wird mit dem momentanen Zeitablauf der aktuellen Stadt
verwoben. In die reale, urbane Situation wird die erzählte, urbane
Situation eingetragen. Materielle und immaterielle Zeitschichten
überlagern sich.
Der flächigen Bewegung des Gehens, steht das punktuelle Auf suchen
von und Verweilen an Orten, die für die Künstlerin mit Bedeu tungen
– eigenen und fremden – gefüllt sind, gegenüber. Betrachtet
man ihre Bewegungen auf einem Stadtplan von oben, trägt sie ein
Netz von Linien und Punkten in dessen zweidimensionale Struktur
ein. Auf dem Bild der Stadt entsteht eine erlaufene Zeichnung.
Diese Aktion im Außenraum wird in die archivarische Installation
im Innenraum übertragen. Steht „Mobile Cinema“ für das unmittelbare,
ungefilterte, augenblickliche Geschehen, präsentiert die
„homesickbox“ den jeweiligen kurzen, statischen Abschnitt des
immer weiter wachsenden Prozesses. „Mobile Cinema“ beschäftigt
sich mit dem bildnerischen Umsetzen eines städtischen Raum- und
Bewegungsgefühls. Jede Stadt fühlt sich anders an beim Erlaufen
oder Erfahren. Jede Stadt wird in ihrem medialen Auftritt mit einer
anderen Bewegungshaptik beworben. In München fährt man Rad
oder läuft. In Istanbul fährt man Auto oder Bus und steht im Stau,
in Rom ist das Bewegungsgefühl die Vespa, in New York der „underground“ und in LA ausschließlich das Auto. Diese Klischees gilt es
an Bewegungskarten zu überprüfen und zu relativieren. Dabei
begibt sich die Künstlerin zwar oft an Orte einer automatisierten
Fortbewegung, wählt selber aber die Bewegungsform des Gehens,
das den Körper unmittelbar in Kontakt zu der steinernen Struktur
der Stadt bringt. Die archaische Fortbewegung des Großstädters ist
das Gehen. In der Stadt, die mit ihren verschiedenen Fortbewegungsmitteln
auf größtmögliche Mobilität und Beschleunigung ausgelegt
ist, scheint das Gehen als ureigenste Form menschlicher Fortbewegung
geradezu altertümlich. Das Gehen dient dem Abstecken seines
Reviers und dem Scannen und Ausloten des öffentlichen Raumes.
Mit der „Heimwehtasche“ wird ein Instrument geschaffen, diesen
Realraum zu untersuchen und mit ihm die politischen, juristischen,
exekutiven, etc. Strukturen, die ihn hervorgebracht haben und
bedingen. Der öffentliche Raum ist kein „open space“, dessen sich
der Bürger einfach bedienen kann, er ist der am besten definierte
und kontrollierte Ort seiner Lebenswirklichkeit. Jeder öffentliche
Raum ist nach Land, Tradition und Soziologie anders konnotiert,
hat aber auch aus der Stadtsituation und ihren Erfordernissen heraus
Gemeinsamkeiten, die eine Basis für einen Vergleich der Städte
ermöglichen. Das „Mobile Cinema“ mit seiner „Heimwehtasche“
und der „Homesick Box“ schafft eine transkulturelle Vernetzung des
Urbanen unter dem Faktor des Vermissens des Vertrauten, des
Heimwehs nach einem konkreten, persönlichen, intimen und einzig
definierten Ort. Der Sehnsuchtsort ist je nach Bürger individuell
verschieden. Der gleiche Ort wird von jedem Bewohner je nach
seinem persönlichen Hintergrund und im Abgleich mit seinen
Orten im Kopf anders wahrgenommen und eingespeichert. Jeder
zeichnet seinen individuellen, biografischen Stadtplan, wie jeder,
bzw. jede seine individuelle Tasche mit sich herumträgt.